Die Motion fordert folgendes: Der Regierungsrat wird wie folgt beauftragt:

  1. Wasserknappheitsrisiken im Unterlauf der Aare sind bei der Ergänzung des Richtplans für die Wasserkraftwerke Trift und Grimselsee zu berücksichtigen
  2. Wasserknappheitsrisiken im Unterlauf der Aare sind bei der Konzession für das Wasserkraftwerk Trift vertieft zu analysieren und in Erwägung zu ziehen. Falls die Analyse zeigt, dass das Kraftwerk Trift zur Linderung der Risiken im Unterlauf dienen kann, soll die Konzession für das Wasserkraftwerk Trift mit Bedingungen bei Wasserknappheit ergänzt werden.

Die interfraktionelle Motion richtet sich in keiner Weise gegen die Kraftwerke, sondern will die Zeitverzögerung bei der Konzessionsvergabe nutzen, um diese wichtige Frage zu klären.

In seiner Antwort beantragt der Regierungsrat die Annahme – aber gleich auch die Abschreibung. Er ist der Meinung, dass die Forderungen umgesetzt sind. Immerhin will er die Trockenheitsrisiken bei der Neukonzession im 2042 berücksichtigen.

Er zitiert selektiv die CH2018 Hydro-Berichte. Die Experten:innen der WSL sind weiterhin der Meinung, dass das Potenzial der Oberländer Seen geeignet ist, die Trockenheit im Seeland zu lindern. Zusätzlich Abklärungen seien aber nötig. „Eine Ausnahme bildet die Region Aare, wo das Nutzvolumen lediglich 52% der extremen Wasserknappheit zu decken vermag. In diesem Gebiet könnten zusätzliche Speicher (bspw. periglaziale Speicher) einen Beitrag zur Verminderung von Wasserknappheit in unterliegenden Gebieten leisten.“ (Kellner et al., 2021)

Die Berichterstattung in der Berner Zeitung (und weiteren Tamedien) Ende Januar stellte leider nur die Sichtweise des Regierungsrats dar – nicht aber diejenige der Wissenschaft.

Die Berichterstattung der Jungfrauzeitung war differenzierter.

Zudem ist Jürg Steiner’s Bericht über die verlorene Ehre der Wasserkraft lesenswert – insbesondere der Ausblick in die Zukunft. In Zukunft benötigen Mehrzweckspeicher statt „nur“ Kraftwerke.

Die Motion wurde am 15. März 2022 einstimmig angenommen. Die Abschreibung wurde abgelehnt.

 

 
 
 

 

Redetext

Gouverner c’est prevoir – das war selten so richtig und richtig wie bei der Klimapolitik.

Die Klimaveränderung geht unvermindert weiter. Der Ausbau der Erneuerbaren ist dringender denn je, der Ausbau der Speicher ebenso.

Die leider eingetretene Verzögerung des sinnvollen Trift-Projekts soll genutzt werden, um Wasserknappheitsrisiken am Unterlauf der Aare zu berücksichtigen.

Ab Mitte Jahrhundert werden die Gletscher im Oberland so klein sein – auch bei Einhaltung des Pariser Klimaabkommens – dass die Flüsse in trockenen Spätsommern nur noch spärlich fliessen. Auch das Wasserschloss Europas – kann Ende Sommer austrocknen.

Was bedeutet das: Gegen Mitte des Jahrhunderts kann es in extrem trockenen Sommern vorkommen – vielleicht alle 10-20 Jahre, dass die Landwirtschaft im Seeland nicht mehr genügend Wasser hat – und dieses auch nicht mehr aus den Flüssen oder den Seen entnehmen kann. Damit würde die Produktion stark leiden.

Gemäss Stand der Wissenschaft hat der geplante Trift-Stausee zusammen mit den anderen grösseren Stauseen der KWO das Potenzial die Trockenheitsrisiken zu lindern

Diese Erkenntnis stammt vom letzten Jahr beendeten nationalen Projekt CH2018 Hydro. Ich stehe in Verbindung mit den Wissenschaftern dieses Projekts und diese stützen diese These weiterhin. Die Stauseen im Oberland können das Problem nicht alleine lösen – aber wahrscheinlich die Knappheit lindern.

Die Regierung widerspricht dem: sie zitiert nur den Teil des Berichts, der in ihrem Sinne ist. Das ist einseitig. Die vertiefenden Analysen – die nicht zitiert werden – stellen das Gegenteil fest.

Die Modellierungen im CH2018 Hydro Projekt waren deutlich detaillierter und aufwändiger und damit verlässlicher als die Studien, auf die sich die Regierung stützt.

Der Antrag zur Abschreibung ist eine Arbeitsverweigerung der Regierung.
Zugegeben: Die Regierung müsste hier Neuland in der Schweiz begehen – für was sie offenbar nicht bereit ist. Im Ausland und in Zukunft auch in der Schweiz sind resp. werden solche Risiken in Kraftwerk-Konzessionen berücksichtigt.

Letztendlich geht es darum, zwischen Stromproduktion und der Landwirtschaft abzuwägen bei extremen Wetterverhältnissen. Die Regeln dazu müssen jetzt ausgehandelt werden. Steht einmal die Konzession wird das schwierig werden.

Wir wollen zudem die Rentabilität des Trift-Kraftwerks nicht verkleinern und damit das Kraftwerk nicht gefährden. Deshalb sollen die allenfalls auftretenden Einkommensverluste durch den Kanton ausgeglichen werden.

Wir fordern weitere Abklärungen. Das kann nur geschehen, wenn die Motion nicht abgeschrieben wird. Ich bitte um die Annahme und dass die Motion nicht abgeschrieben wird.